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Köln startet Pilotversuch für systematische Öffentlichkeitsbeteiligung - Ergebnisse fließen in die neuen Leitlinien für Bürgerbeteiligung ein

bilder rat und gremien 16 9slider leitlinien neu2 480Die Stadt Köln startet mit einem Fachausschuss und einer Bezirksvertretung einen Pilotversuch zu einer neuen und wesentlich umfassenderen Beteiligung der Bürgerschaft an Entscheidungen, die die Kommune zu treffen hat. Die Beteiligung soll sich nicht mehr allein auf rechtlich vorgesehene Beteiligungsverfahren beschränken, sondern systematisch alle Belange der kommunalen Verwaltung umfassen. Bereits heute kommen in vielen Planungsverfahren in Köln die Bürger zu Wort. Köln als eine der urbansten Städte Deutschlands will künftig ihren Bürgerinnen und Bürgern die Chance geben, nicht nur alle fünf Jahre per Wahlentscheidung ihre Meinung abzugeben, sondern fortwährend zu den sie interessierenden Belangen aus den verschiedensten Bereichen.

Die Stadt Köln testet daher einen umfassenden Ansatz, um diesem veränderten Beteiligungsbedürfnis nachzukommen. Die Stadt Köln verbindet künftig die Beteiligung der Öffentlichkeit und den Dialog in der Stadtgesellschaft mit den repräsentativen Entscheidungsprozessen des Rates, seiner Ausschüsse und der Bezirksvertretungen.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker, in deren Dezernat der Vorschlag jetzt entwickelt wurde, empfiehlt dem Rat, mit einer einjährigen Pilotphase im Ausschuss Umwelt und Grün und der Bezirksvertretung Nippes zu starten. Am heutigen Dienstag, 18. September 2018, stellte die Verwaltung das Konzept dem Ausschuss Umwelt und Grün vor, am Donnerstag, 20. September 2018, entscheidet die Bezirksvertretung Nippes darüber. Am 27. September 2018 soll der Rat die Schlussentscheidung über das Pilotprojekt fällen.

Konkret sieht die Bürgerbeteiligung vor, dass Beschlussvorlagen, die In diesen beiden Pilotgremien zur Entscheidung eingebracht werden, um eine Empfehlung der Verwaltung ergänzt werden, ob die Öffentlichkeit beteiligt werden soll oder warum eine Beteiligung nicht durchgeführt werden soll. Grund für eine ablehnende Haltung kann beispielsweise sein, weil dadurch eklatante und nicht vertretbare Zeitverzögerungen entstehen, die Projekte gefährden. Der Ausschuss Umwelt und Grün beziehungsweise die Bezirksvertretung Nippes entscheiden dann sowohl über den Inhalt als auch über die Frage, ob eine Beteiligung hierzu stattfinden soll oder nicht und folgt der Empfehlung der Verwaltung oder widerspricht ihr. Es geht dabei um Beschlussvorlagen, für die der Ausschuss Umwelt und Grün beziehungsweise die Bezirksvertretung Nippes die Entscheidungsbefugnis haben.

Und noch etwas ist neu: Kölnerinnen und Kölner können zu Themen, über die der Aus-schuss Umwelt und Grün beziehungsweise die Bezirksvertretung Nippes entscheiden, selbst initiativ eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorschlagen. Das ist allerdings nur möglich, wenn die Verwaltung eine solche nicht bereits in ihrer Beschlussvorlage vorsieht. Über diesen Vorschlag entscheiden ebenfalls die beiden Gremien. Mit dem neuen Verfahren soll die Demokratie gestärkt und die Kölnerinnen und Kölner sollen zur Mitwirkung an den Vorhaben ihrer Stadt noch weiter ermutigt werden.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Ich bin davon überzeugt, dass sich eine Stadt wie Köln nur im Dialog und im Zusammenwirken mit allen gesellschaftlichen Kräften zukunftsorientiert gestalten lässt. Dafür brauchen wir neue Formen der Zusammenarbeit und müssen diese auch gemeinsam lernen und entwickeln. Das Know-how der Bürgerschaft einzuweben in Ratsentscheidungen ist lohnenswert. Ich verstehe die Sorge, dass die Nachteile von Öffentlichkeitsbeteiligung, zum Beispiel durch den notwendigen Zeitaufwand die Vorteile manchmal übersteigen. Aber deswegen starten wir ja die Pilotphase mit wissenschaftlicher Begleitung.

Ergebnisse des Pilotversuchs werden evaluiert

Weil die Stadt Köln mit diesem integrierten Ansatz auch Wege geht, zu denen es bisher keine Erfahrungen aus anderen Kommunen gibt, testet sie das Verfahren zunächst in einer einjährigen Pilotphase. Anfang 2019 soll es losgehen.

In den Beschlussvorlagen und den Gremien geht es vor allem darum, ob eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt wird. Teil der Pilotphase ist außerdem, wie genau gute Öffentlichkeitsbeteiligung auf der Grundlage von Qualitätsstandards stattfindet. Das wird über die zwei Gremien hinaus in insgesamt vier weiteren Pilot-Beteiligungsverfahren ausprobiert, nämlich an jeweils einem Projekt aus den Bereichen Kultur, Sport, Stadtentwicklung und Verkehr.

Um zu einer fundierten Bewertung des Kölner Ansatzes zu gelangen, wird er durch das Deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer begleitend evaluiert. Wichtige Fragen richten sich darauf, inwieweit die Kölnerinnen und Kölner von den neuen Mitwirkungsmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch machen und wie die Auswirkungen für das Handeln der Verwaltung und die Funktionsfähigkeit der Gremien sind. Ebenso soll herausgefunden werden, wie sich die Vorteile einer Öffentlichkeitsbeteiligung in Form von besseren Lösungen und mehr Akzeptanz und die Nachteile, wie verlängerte Verfahren und erhöhte Aufwände, zueinander verhalten. Alle Zwischenstände und Ergebnisse werden bereits während der Pilotphase im "Arbeitsgremium Bürgerbeteiligung" reflektiert, das auf deren Grundlage die Leitlinien für die Öffentlichkeitsbeteiligung weiterentwickeln und dem Rat anschließend in Gänze empfehlen wird. Der Rat wird dann erneut über das weitere Vorgehen entscheiden.

Rückblick:

Als erste deutsche Millionenstadt hat die Stadt Köln - wie bereits rund 30 kleinere Städte - einen Leitlinienprozess für die Bürgerbeteiligung gestartet und 2017 ein Arbeitsgremium Bürgerbeteiligung eingerichtet, das aus Vertreterinnen und Vertretern der Politik, der Verwaltung und der Bürgerschaft besteht. Grundlage hierfür war ein Beschluss des Stadtrates vom 12. Mai 2015. Freiwillige Beteiligungsformate unterliegen kaum gesetzlichen Vorgaben oder Qualitätsstandards. Damit diese neuen Formen der Bürgerbeteiligung als Bereicherung und Ergänzung zu den demokratisch legitimierten Diskussions- und Entscheidungsprozessen wirken können, braucht es allgemein anerkannte "Spielregeln", also ein verbindliches, allgemeingültiges Regelwerk, das bei der Planung, Durchführung und Auswertung aller Beteiligungsverfahren in Köln gilt: die "Leitlinien Bürgerbeteiligung". Die Pilotphase Systematische Öffentlichkeitsbeteiligung fußt auf dem Entwurf der Leitlinien und dient dazu, sie realistisch weiter zu entwickeln.

Weitere Informationen

Quelle: Stadt Köln - Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit - Lars Hering, Inge Schürmann / https://www.stadt-koeln.de