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In Berlin wurden Sonnenkollektoren und Fernwärme kombiniert.

Zwei Beispiele aus der Bundeshauptstadt

Die ersten Großkollektoren auf Berliner Mietshäusern. Foto: Klaus Oberherzig70.000 Wohneinheiten das größte landeseigene Wohnungsunternehmen in der Bundeshauptstadt, ist Vorreiter in der solaren Modernisierung. Mit einer neuen Kombination aus Solarwärme und Fernwärme gelingt es ihr, den Bestand in Schuss zu bringen. Sogar schwer vermietbare Ladenhüter werden durch die Sonnenwärme wieder marktfähig.
Die Sache klingt einfacher, als sie ist: Die Diskussion um die´energetische Modernisierung des Gebäudebestandes ist von Furcht geprägt. Unter Mietern und Vermietern geht die Angst um, Klimaschutz treibe die Mieten. Der entscheidende Vorteil der Systemlösung besteht darin, dass die Investitionskosten für die Solartechnik mittels Modernisierungsumlage auf die Nettokaltmiete umgelegt werden. „Das führt mittel- bis langfristig zu steigenden Mieteinnahmen“, sagt Volker Ries, Projektleiter der Bestandsentwicklung bei der Degewo. Die Warmmiete bleibt aber stabil. Seinen Angaben zufolge werden die Kaltmieten im Durchschnitt um 20 Cent pro Quadratmeter angehoben. Ries betont, dass die höheren Kaltmieten durch die sinkenden Betriebskosten kompensiert werden. Im Schnitt
amortisiert sich die Investition nach spätestens zwölf Jahren.

Die Degewo zeigt exemplarisch, dass die solare Modernisierung nicht automatisch zur Verdrängung sozial schwacher Mieter führt. Im Gegenteil: Sie garantiert hohen Wohnstandard trotz steigender Preise für Heizöl und Erdgas. Weil sie unterm Strich für die Mieter günstig ausfallen, denn die Warmmiete bleibt neutral, gibt es bislang keine Einsprüche gegen die Modernisierungen. „Das liegt auch daran, dass wir diesen ökologischen und ökonomischen Zusammenhang im Detail erläutert haben“, sagt Ries. „Die Zeiten des Leerstands in diesen Immobilien sind vorbei.“
Allerdings erfüllen nicht alle Systeme die Anforderung, warmmietenneutral zu modernisieren. Die Degewo hat sich für die Solarenergiezentrale entschieden, um die warmen Betriebskosten um 25 bis 35 Prozent zu senken. Das System wurde speziell für Mehrfamilienhäuser entwickelt. Die Solarwärme wird direkt aus den Kollektoren zum Verbraucher geleitet. Ein Abspeichern erfolgt erst bei solaren Überschüssen. Die gesamte Wärmeerzeugung, also auch die fossile, wird hydraulisch und regelungstechnisch zentral von der Solarenergiezentrale gesteuert. Bis heute hat die Degewo 31 Mehrfamilienhäuser mit über 2.600 Wohneinheiten modernisiert. Rund 3.000 Quadratmeter Kollektorfläche kamen auf die Dächer. „Wo es funktioniert, machen wir es“, beschreibt Ries die Unternehmensstrategie. Auch wenn der Preis der Solarenergiezentrale deutlich höher sei als der für eine konventionelle Anlage, rechne sich die Investition – über die höhere Kaltmiete. Eine herkömmliche Kesselerneuerung dagegen erzeuge nur Kosten und wirke sich nicht positiv auf die Vermietungserträge aus.

Ladenhüter erhalten neuen Wert
Seit 2005 hat die Degewo die Solarwärme in Kombination mit Erdgaskesseln eingesetzt. Im Berliner Brunnenviertel im Stadtbezirk Wedding kommt nun erstmals Solar und Fernwärme zum Einsatz. Das Areal umfasst 5.100 Wohnungen, es war in den 60er bis 80er Jahren unmittelbar an der ehemaligen Berliner Mauer entstanden. Die Wohnungen galten als schwer vermietbar.
In den kommenden zwei Jahren will die Gesellschaft zwischen 300 und 500 Wohneinheiten mit Solartechnik modernisieren. Die Kombination mit der Fernwärme ist aus Sicht des Investors besonders günstig. Denn die Kosten, um die Häuser ans Berliner Fernwärmenetz zu bringen, liegen deutlich niedriger als neue Kesselanlagen, für die zwischen 5.000 und 200.000 Euro anfallen. Zudem entfällt das alte Kesselhaus, auch alte Nahwärmenetze werden stillgelegt.
Der Berliner Energieversorger Vattenfall baut derzeit sein Fernwärmenetz aus. Dass die Trassen auch ins Brunnenviertel verlegt wurden, ist „nicht zufällig passiert“, wie Jürgen Hering von Vattenfall bestätigt. Er ist zuständig für den Vertrieb im Netzbereich Ost. Vattenfall wittert ein gutes Geschäft und kooperiert mit der Degewo.
Die aus Kraft-Wärme-Koppelung stammende Fernwärme hat einen Primärenergiefaktor von 0,567, wird also deutlich umweltfreundlicher erzeugt als beispielsweise in einer Kesselzentrale mit Erdgas. Für die Zusammenarbeit mit der Degewo hat Vattenfall den Stadtteil Wedding mit einer neuen Fernwärmeleitung erschlossen.

36 Prozent weniger Wärmekosten
Aber nicht nur für die Wohnblocks aus den 70er Jahren rechnet sich eine Systemlösung von Solarthermie und Fernwärme. Auch im für Berlin typischen Altbau aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg läuft die Kombination mit Erfolg. „Die Energieeinsparung liegt deutlich höher als erwartet“, sagt David Dreisbach, Sprecher der Wohneigentümergemeinschaft in der Pfalzburger Straße 82. Für das Objekt liegen die Verbrauchsdaten des ersten Betriebsjahres vor. „Erreicht wurde eine Energieeinsparung von 36 Prozent, prognostiziert waren 31 Prozent – trotz des langen und harten Winters im vergangenen Jahr“, rechnet Dreisbach vor. Nachdem die alte Ölkesselanlage ausgetauscht werden musste, wurde das Haus an die in der Straße bereits vorhandene Fernwärme angeschlossen. Auf dem Dach wurden 42 Quadratmeter Solarkollektorf läche installiert. Auch in der Pfalzburger Straße läuft im Keller eine Solarenergiezentrale als Systemsteuerung. Der Gründerzeitbau in Berlin-Wilmersdorf verfügt über 22 Wohneinheiten mit 2.773 Quadratmetern Wohnf läche. Das ehemalige Mietshaus wurde in Wohnungseigentum umgewandelt. Vor der solaren Modernisierung lief im Keller ein zentraler Ölkessel, der Warmwasser erzeugte und 14 Wohneinheiten mit Heizwärme versorgte. Acht Wohnungen waren mit Gasetagenheizungen ausgestattet. Die zentral beheizte Fläche betrug lediglich 1.691 Quadratmeter. Seit der solaren Modernisierung werden alle Wohnungen zentral beheizt und mit Warmwasser versorgt.
Der Verbrauch lag vorher durchschnittlich bei etwa 40.000 Litern Heizöl im Jahr. Der Warmwasserbedarf erreichte circa 750 Kubikmeter im Jahr.
So beliefen sich die Gesamtkosten der zentralen Ölheizungsanlage im Abrechnungszeitraum von Mai 2007 bis Ende April 2008 auf immerhin 27.816 Euro – die individuellen Gasrechnungen nicht
inbegriffen. Darüber existieren keine Unterlagen mehr, sie dürften aber weit im fünfstelligen Bereich gelegen haben.
Nach den ersten zwölf Betriebsmonaten mit der Kombination Solar und Fernwärme lag der Gesamtverbrauch aller 22 Wohneinheiten im Zeitraum April 2009 bis März 2010 bei 32.310,88 Euro.

Fernwärme springt erst spät ein
Am Ende der Rechnung steht bei elf Prozent Modernisierungsumlage (gemäß § 559 BGB) eine Erhöhung der Kaltmiete von monatlich 0,30 Euro je Quadratmeter. Nach Auskunft der Eigentümergemeinschaft zahlen sich die´sinkenden Wärmekosten so stark aus, dass die Warmmiete sogar niedriger ist als vor der Modernisierung. Mit der Kombination von Fernwärme und der Solarenergiezentrale sei jetzt eine „neue Struktur gelegt“ worden, die sich durch eine „moderne Verteilzentrale mit effizientem Energiemanagement“ auszeichne, lobt Dreisbach die gewählte Lösung.
Das sei für das Vorderhaus gleichermaßen gut wie für das nun erschlossene Gartenhaus (Hinterhaus). Auch in der Pfalzburger Straße haben die sinkenden Energiekosten mehrere Ursachen: Zum
einen ersetzt die Solarwärme teure fossile Brennstoffe. Zum anderen bedeutet der Umstieg von Öl auf Fernwärme eine weitere, deutliche Kostenentlastung, da Fernwärme gegenwärtig deutlich billiger als Ölwärme ist. Das betrifft auch die Hausanschlusskosten für die Fernwärme. Der dritte Grund liegt im Steuersystem der Solarenergiezentrale: Sie leitet die Solarwärme direkt aus den Kollektoren zum Verbraucher. Solare Überschüsse werden in Speichern gepuffert. Auf Fernwärme greift die Steuerung erst zurück, wenn Solarkollektoren und Speicher nichts mehr liefern.
Mit der Solarenergiezentrale kauft der Investor eine gläserne Heizung, denn sie macht die Wärmekosten transparent. Möglich wird das durch eine umfangreiche Sensorik. Die Wärmemengenzähler liefern via Internet Informationen über die von der Regelung verteilten Energiemengen und bilden die Kosten ab. Die gesamte Wärmeerzeugung wird hydraulisch und regelungstechnisch von dem intelligenten Wärmemanager geführt.
Auf dieser Basis lässt sich eine Fernparametrierung durchführen, die alle Parameter – nicht nur Vor- und Rücklauftemperaturen – erfasst. Solche komplexen Managementsysteme zur Fernüberwachung und Fernsteuerung gab es bisher nur bei großen gewerblichen Anlagen oder in der Photovoltaik. Nun halten sie auch im Geschosswohnungsbau Einzug.

Die Randbebauung des Komplexes Schlangenbader Strasse in Berlin-Schmargendorf wurde 2006 solarmodernisiert. Foto: Marc-O. ThiemEine Blaupause für den Altbestand
Die Solarenergiezentrale wurde von der Berliner Firma Parabel Energiesysteme entwickelt. Parabel hatte die Energieeinsparung in der Pfalzburger Straße mit 31 Prozent prognostiziert. Trotzdem
war es für die Eigentümergemeinschaft spannend, ob die Umstellung der Heizbeziehungsweise Nebenkostenpauschalen klappen würde. Denn eine Abkehr von den in den 60er und 70er Jahren so beliebten Gasetagenheizungen hatte mancher Mieter mit gemischten Gefühlen gesehen.
Die Eigentümergemeinschaft entschied sich frühzeitig dafür, allen Mietern bei der neuen Heizkostenpauschale freie Hand zu lassen. Manche Mieter wählten einen verminderten Betrag, andere zahlten den alten Betrag einfach weiter. Allen gemeinsam war eine gewisse Unsicherheit, wo sich die zukünftige Heizkostenpauschale einpendeln würde. Bei der von der Firma Techem vorgelegten Abrechnung für den Zeitraum Mai 2009 bis April 2010 entstand dadurch erst einmal ein differenziertes Bild, das von Rückerstattungen in Höhe von 800 Euro bis zu Nachzahlungen von 600 Euro reichte.

Alle haben gespart
Beim Vergleich mit den Heizungsund Warmwasserkosten der Vorjahre stellte sich aber schnell heraus, dass alle gespart hatten, auch wenn die Berechnung nicht allen Mietern sofort einsichtig war. Kein Mieter hat sich über die Umstellung der Heizung auf die Kombination aus Solarthermie und Fernwärme beschwert. Im Gegenteil: Dank der sinkenden Warmmieten wuchs die Zustimmung zur solaren Wärme.
Die Solarenergiezentrale zeigt, dass solarthermische Anlagen auch im Geschosswohnungsbau erfolgreich sein können, sprich: wirtschaftlich im Sinne von Energiekosten und der Vermietung. Vorausgesetzt, sie werden richtig geplant, gebaut und betrieben. So gesehen ist die Modernisierung der Pfalzburger Straße 82 eine gelungene Blaupause für vergleichbare Mietshäuser. Sie belegt, dass man die Heiztechnik erneuern und später dämmen kann. Daniel Dreisbach weiß, dass er innerhalb der nächsten zehn Jahre um eine bauphysikalische Modernisierung, sprich Dämmung des Altbaus, nicht herumkommt. Aber die solare Systemtechnik lässt sich an den dann deutlich geringeren Verbrauch ohne Probleme anpassen. Lediglich die Kosten für die Fernwärme werden in den Keller gehen.

Eine Kombination mit Pilotfunktion in der Fernwärmeversorgung der Bundeshauptstadt durch Vattenfall Europe gibt es aufgrund der geschichtlichen Teilung zwei technisch unterschiedliche Systeme:
das Dreileitersystem im Versorgungsgebiet West und das Zweileitersystem im Osten. Das Dreileitersystem, von dem in unseren beiden Beispielen gesprochen wird, besteht aus zwei Heizwasservorläufen und einem Rücklauf. Ein Vorlauf versorgt die Heizungsanlage der Kunden und wird abhängig von der Außentemperatur gleitend gefahren. Der zweite Vorlauf, der eine konstante Temperatur (Konstantleiter) aufweist, dient zur Bereitstellung von Warmwasser. Von Vorteil sind die bessere verbrauchsabhängige Regelmöglichkeit und der geringere Wärmeverlust durch den gleitend gefahrenen Vorlauf. Durch die dritte Rohrleitung ist die Verlegung jedoch kostenaufwendiger als ein Zweileitersystem. Die Abrechnung der Wärmekosten durch Vattenfall Europe unterscheidet zwischen Grundpreis (verbrauchsunabhängig) und Arbeitspreis (verbrauchsabhängig). Der Grundpreis wird für den Anschluss an das Fernwärmenetz bezahlt und hängt von seiner Dimensionierung (dem Anschlusswert) ab. Die tatsächlich verbrauchten Wärmemengen für Raumheizung und für die Wasseraufbereitung bilden den Arbeitspreis.
Dieser wird in Megawattstunden oder Kubikmetern auf den jeweiligen Zählern angezeigt. Die Kombination der Fernwärme mit Solarthermie reduziert zum einen den Anschlusswert für den Kunden.
Er zahlt einen niedrigeren Grundpreis.
Zum anderen substituiert die Solarwärme einen Teil der Fernwärme, was sich positiv im Arbeitspreis niederschlägt. Wird das Gebäude zudem gedämmt, sinken die Wärmekosten noch mehr.

 Klaus Oberzig

Quelle: LIGA LIBELL 142 (Juni 2012) - Grüne Liga Brandenburg e.V.

www.grueneliga-brandenburg.de

 

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