Neue Geschäftsmodelle für brasilianische Agrarbetriebe

Foto Prof Dr Frank Rögener TH KölnBrasilien ist mit weitem Abstand der weltweit bedeutendste Zuckerrohrproduzent – 715 Millionen Tonnen wurden in 2021 geerntet. Dabei fallen auch große Mengen Biorestmasse an. Diese wird bislang zum größten Teil verbrannt. Ein internationales Forschungsprojekt unter Beteiligung der TH Köln hat neue Erntetechniken und Prozesse entwickelt, um aus dem bisherigen Abfallprodukt ein attraktives Geschäft zu machen. 

„Pro verarbeiteter Tonne Zuckerrohr bleiben etwa 150 bis 300 Kilogramm an ausgepressten, zerfaserten Stängeln übrig, die sogenannte Bagasse. Bei keiner anderen Kulturpflanze fällt so viel Biomasse an. In der Mehrzahl der zuckerrohrverarbeitenden Betriebe wird diese ineffizient im Zucker- und Alkoholherstellungsprozess verbrannt. Um die Bagasse höherwertig weiterzuverwenden, muss der gesamte Prozess ab der Ernte neu gedacht werden. Das war unsere Aufgabe“, sagt Projektleiterin Prof. Dr. Sabine Schlüter vom Institute for Technology and Resources Management in the Tropics and Subtropics (ITT) der TH Köln. Dabei arbeitete die Hochschule mit diversen brasilianischen und deutschen Partnern zusammen.

Erntemaschine als Grundlage für höherwertige Nutzung

In Vorgängerprojekten hatte die Hochschule bereits eine Erntemaschine entwickelt, die vor allem für bäuerliche Kleinbetriebe geeignet ist. Diese brennen bisher kontrolliert ihre Felder ab, um die scharfkantigen Blätter der Pflanze zu entfernen. Anschließend ernten sie das eigentliche Zuckerrohr mit der Machete. Alternativ zur manuellen Vorgehensweise werden auf großen Betrieben schwere Vollernter eingesetzt. Diese effizienten Maschinen zerstückeln die Zuckerrohrstangen, was die Logistik in der hochmechanisierten Ernte vereinfacht, aber auch Nachteile mit sich bringt. „Unsere Maschine geht anders vor: Die Zuckerrohrstange wird gegriffen und Bürsten entfernen die Blätter; die Stange wird an der Basis abgeschnitten und abgelegt. So benötigt man kein Feuer und die Stangen bleiben am Stück. Da kein Saft austritt, ist der Zuckerertrag hoch“, so Carl-Friedrich Gaese, Projektmitarbeiter des ITT.

Die bestehende Technologie entwickelten die Projektpartner weiter und reduzierten vor allem die Komplexität des Prototyps, so dass dieser einfacher zu bedienen ist. Zudem konzipierte der Projektpartner Schumacher Group ein neues Schnittsystem, das die Pflanze nicht so stark verletzt. Dadurch können weniger Krankheiten in die Schnittstellen eindringen und die Regeneration bis zur nächsten Ernte ist besser. Die Maschine ist als Anhänger für den Traktor aufgebaut, wiegt so nur etwa eine Tonne und verursacht deutlich weniger Bodenverdichtung als herkömmliche Erntemaschinen, die bis zu 16 Tonnen wiegen können.

Durch Pyrolyse entsteht Biokoks

Zudem sorgt die Neuentwicklung dafür, dass die Stängel deutlich weniger mit Erde verunreinigt sind, was die angestrebte Weiterverarbeitung der Bagasse mittels Pyrolyse erleichtert. „Bei der Pyrolyse werden organische Substanzen ohne Sauerstoffzufuhr stark erhitzt und dabei gespalten ohne zu verbrennen. Das Ergebnis ist unter anderem Biokoks. Unser Partner REW Regenerative Energie Wirtschaftssysteme GmbH hat eine Anlage errichtet, die diese Behandlung in einem vor Ort sinnvollen Maßstab erlaubt“, erläutert Prof. Dr. Frank Rögener vom Institut für Anlagen- und Verfahrenstechnik der TH Köln. Biokoks kann entweder deutlich effizienter verbrannt werden als die Bagasse selbst oder von den Bauern und Bäuerinnen als Dünger eingesetzt werden. Nach einer weiteren physikalisch-chemischen Behandlung ist auch die Verwendung als Adsorber in der Wasseraufbereitung möglich.

Durch die Veredelung mittels Pyrolyse entsteht somit ein Produkt, das als Pellet oder Brikett leicht zu transportieren ist und für das es einen internationalen Markt gibt. Dabei ist die Technologie für brasilianische Zuckerrohrfabriken kein Neuland, sondern wird teilweise bereits zur Herstellung von Pyrolyseöl eingesetzt. „Durch unsere Forschungen ist es uns gelungen, einen Prozess von der Ernte bis zum fertigen Produkt aufzubauen. Dessen Wirtschaftlichkeit wurde in einer Masterarbeit an unserer Hochschule bestätigt“, so Schlüter.

Corona-Pandemie erschwerte Forschung

Aufgrund der COVID-19-Pandemie und der damit einhergehenden Verschlechterung der Importmöglichkeiten nach Brasilien konnten nicht alle Teilaspekte des Projekts unter Realbedingungen erprobt werden. So wurde die Pyrolyse mit aus Brasilien eingeführter Bagasse in Deutschland getestet, während die neue Erntetechnologie nur in einem alten Versuchsstand zum Einsatz kam. Die Einbindung der Pyrolyse in bestehende Betriebe in Brasilien war nicht möglich.

Über das Projekt

Das Forschungsprojekt „TRABBIO. Transformation brasilianischer Biorestmassen zu umschlagsfähigen Stoff- und Energieträgern“ wurde von April 2019 bis März 2023 unter Leitung der REW Regenerative Energie Wirtschaftssysteme GmbH durchgeführt. Neben der TH Köln waren auf deutscher Seite das Clausthaler Umwelttechnik Forschungszentrum CUTEC der Technischen Universität Clausthal, die TÜV Rheinland Energy GmbH und die Schumacher Group beteiligt. Brasilianische Partner waren unter anderem die Ländliche Bundesuniversität von Rio de Janeiro (UFRRJ), die Zuckerrohrkooperative COAGRO, die nationale Agrarforschungseinrichtung für Böden Embrapa solos und das Staatministerium für Landwirtschaft des Bundesstaates Rio de Janeiro. Gefördert wurde das Vorhaben mit einem Gesamtvolumen von 3,14 Millionen Euro über das Programm „CLIENT II – Internationale Partnerschaften für Nachhaltige Innovationen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Abbildung: 715 Millionen Tonnen Zuckerrohr wurden 2021 in Brasilien geerntet. Damit ist das Land das weltweit bedeutendste Anbaugebiet. (Foto: Prof. Dr. Frank Rögener / TH Köln) 
Quelle: www.th-koeln.de

Diesen Beitrag teilen, das Unterstützt uns, DANKE !

FacebookVZJappyDeliciousMister WongXingTwitterLinkedInPinterestDiggGoogle Plus

weitere Beiträge

Nachrichten und Doku

Eis essen und Müll sparen -


ReCiclo MehrwegbecherBergheim, 10. April 2024. Laut einer Untersuchung im Auftrag des WWF wurden im Jahr 2023 etwa 14,6 Milliarden Einwegverpackungen in Deutschland vertrieben. Der Mehrweganteil betrug nur 1,6 Prozent. Wie es anders geht, zeigt der Spezialist für Eisb...


weiterlesen...

Land.schafft.Demokratie – Bibliotheken


bPb LogoBundeszentrale für politische Bildung/bpb und Deutscher Bibliotheksverband e.V. (dbv) fördern nach erfolgreicher Pilotphase 15 weitere Bibliotheken in ländlichen Räumen 

Bibliotheken sind zentrale Orte des Austauschs und des demokratischen Diskurs...


weiterlesen...

Stadtbahnanbindung Mülheimer Süden


69 grafik stadtbahnanbindung mülheim südErweiterter Planungsbeschluss für die neue Trasse im Mülheimer Süden

Der Mülheimer Süden soll zwischen Messekreisel und Bergischer Ring über die Deutz-Mülheimer Straße und die Danzierstraße an das Stadtbahnnetz angebunden werden. Die Verwaltung le...


weiterlesen...

Parookaville-Headliner mit weiteren


3 PV24 Line Up so far 1zu1 v1 r2 2Vom 19. Juli bis 21. Juli 2024 öffnet PAROOKAVILLE seine Stadttore, um mit 225.000 Citizens zum
achten Mal »Wahnsinn, Liebe und pure Glückseligkeit« zu feiern. Wenige Monate vor Eröffnung
schließen die Veranstalter das Booking für die diesjährige E...


weiterlesen...

17.05.2024 Frau Wu und Andere Im Fort


IMG 20240311 WA0000Am 17. Mai wird in einem Kölner Fort, dem Fort Paul der Südstadt, gelegen im Volksgarten, eine Gruppenausstellung zu sehen sein, deren besonderes Juwel eine chinesische Künstlerin ist, die vorwiegend mit Wasser arbeitet. Gemeint ist Jiaying Wu, au...


weiterlesen...

DEEP PURPLE kündigt neues Album an


Deep Purple CoverEine der größten Rockbands aller Zeiten veröffentlicht am 19. Juli neues Album „=1“ bei earMUSIC. ‘It all adds up to 1’

Hamburg, 24. April 2024  Deep Purple, eine der größten und einflussreichsten Rockbands aller Zeiten, veröffentlicht am 19. Juli...


weiterlesen...
@2022 lebeART / MC-proMedia
toTop

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.