Status

HelenaKatsiavaraWenn man seine Seele baumeln lassen möchte, müsste man dies in einem kontrollierten Zustand machen, sagt die Norm. Auch, wenn man ein wenig den Anarchisten in sich raushängen lässt, ist diese Tat ebenfalls mit Vorsicht zu genießen, in sofern man nicht mit der Last der Konsequenzen in Berührung kommen möchte.

Eine Freundin hat eine Tochter. Sie ist schon längst aus dem Haus und versucht sich im  minoischem Labyrinth ihrer vielen Möglichkeiten als 20 Jährige zurechtzufinden. Mit unzähligen neuen Studienmöglichkeiten und extra dafür organisierten Bildungsmessen mit 1500 Fachveranstaltungen, ist dies eine Herausforderung höchsten Grades.

Die Tochter, sie heißt Rachel, freut sich am Anfang über die übergrößten Flügel, die ihr auf einmal sogar in einem Traum bildlich wachsen.

Sehr schnell  kommt jedoch die Ernüchterung. In ihr schlummern nämlich viele Erkenntnisse, die nacheinander hochkommen und dazu vieles von dem verwöhntem Dasein des guten bürgerlichen Hauses, in dem sie aufgewachsen ist, so dass sie mit dem neuen Zustand gar nicht zurechtkommt.  

Denn es geschieht ein Kampf in ihr. Einer zwischen dem guten Bürger und dem Anarchisten.

Rachel entscheidet sich für den Anarchisten im Duell gegen den guten gehorsamen Bürger. Sie möchte so gern die Flügel ausprobieren, um in weite Welten zu fliegen, wie in ihren Traum neulich. Doch sie hat nicht gelernt, mit den Winden umzugehen, nicht in der Praxis, nur in der Theorie.

Rachel entscheidet sich,  zwei Studiengänge sausen zu lassen, weil nicht ihr Herz dran hängt. Rachel ist nämlich Künstlerin. Sie macht ihrem Vater große Vorwürfe, dass er nicht damals eingewilligt hat, sie ins musikalische Gymnasium der Stadt zu schicken.

Sie schreibt sich nicht mehr in eine Uni ein, sie denkt erstmal nur Praktikantin zu werden. In einem Krankenhaus. Vordergründich denkt der Anarchist in ihr an das Dienen. Doch um zu dienen reicht nicht nur der Gedanke daran.

Man müsste sich erst ein mal  gegen Hepatitis impfen lassen. Dafür bräuchte man eine Versicherung. Eine Versicherung bekommt man nur, wenn man an der Uni eingeschrieben ist, sonst müsste man noch tiefer in die Tasche greifen. 180 Euro im Monat kostet eine der freiwilligen Möglichkeiten ,sich zu versichern.

Der Anarchist schwächelt, weil der griechische Gott der Winde, Aiolos, manchmal viele Winde aus seinem Sack lässt. Rachel ist von den 1500

Fachveranstaltungen für Bildung, von dem geschwächtem guten Bürger und von der teuren Versicherung total überfordert.

Sie möchte eigentlich nur: eine gute Freundin, die Ariadne heißt, einen Knäuel und einen Theseus, der endlich diesen blöden Minotaurus erlegt. Damit sie die Impfung bekommt, ein Praktikum macht und auf den Weg kommt, denn das Ziel ist der Weg und der...Status.

Helena Katsiavara