Geschrieben am . Veröffentlicht in Kunst und Kultur in Köln.

09.10.- 08.11.2014 "VON DORT UND HIER" Ein Liverpool-Köln-Festival – veranstaltet von der Initiative „Eight Days A Week“

eight days a week„Eight Days A Week“ ist ein Song der Liverpooler Band „The Beatles“, erstmals erschienen auf ihrem vierten Studioalbum „For Sale“. Seit dem Jahr 1997 ist „Eight Days A Week“ auch der Name einer Initiative von freien Kulturschaffenden in Köln und Liverpool. Sie wurde von den Kölnern Georg Gartz und Jürgen Kisters gemeinsam mit den Liverpoolern Bryan Biggs und Pete Clarke ins Leben gerufen, um in Form von Kunstausstellungen, Literatur-Lesungen, pädagogischen Workshops, Konzerten, Kulturdokumentationen, Filmvorführungen, öffentlichen Diskussionsrunden und regelmäßigen persönlichen Begegnungen einen kontinuierlichen Erfahrungsaustausch zwischen Menschen aus Liverpool und Köln zu ermöglichen. Gemeinsam halten sie seitdem diesen Austausch im Fluss unter der Mitwirkung vieler am Thema interessierter Zeitgenossen in Liverpool und Köln.

Köln hat als internationale Kunstmetropole, als Sport- und Musik- und Handelsstadt, als Stadt des Doms und als Ort von großer geschichtlicher Bedeutung bei den Menschen in Liverpool ein ausgesprochen gutes Renommee. Ebenso besitzt der Name Liverpool bei Kölnern einen nahezu magischen Klang, in dem der Ruf als Geburtsstätte der Beatles und der Beat-Musik, des einst wichtigsten Hafens des britischen Empires, einer lebendig-rauen Arbeiterstadt und Fußballmetropole einander durchmischen. Neben grundlegenden Unterschieden zwischen der britischen und der deutschen Kultur sind eine Vielzahl an Gemeinsamkeiten zwischen Liverpool und Köln auszumachen. Diese Gemeinsamkeiten finden ihren Niederschlag nicht zuletzt darin, dass beide Städte seit dem Jahr 1952 offiziell partnerschaftlich miteinander assoziiert sind. Sieben Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges setzten die Verantwortlichen beider Städte damit ein bis heute wirksames Zeichen einer vorurteilsfreien Völkerverständigung, denn immerhin hatten während des Krieges deutsche V2-Raketen in Liverpool große Zerstörungen angerichtet und britische Flugzeuge mit ihren Bombenabwürfen Köln nahezu völlig verwüstet. Liverpool ist Kölns älteste Partnerstadt.

All diese Aspekte drücken sich auch in den Aktivitäten der Initiative „Eight Days A Week“ aus. Seit dem Jahr 1997 wurden von der unabhängigen Initiative in Köln und in Liverpool über einhunderfünfzig Veranstaltungen durchgeführt. Herausragend war das erste große Festival, das unter dem Titel „Eight Days A Week“ im September 1998 stattfand. An 33 Orten wurden in diesem Rahmen Alltagserfahrung und Kunsterfahrung, Pop-Musik und Fußballfieber, die Historie und die aktuelle Politik der nordwestenglischen Hafenstadt in ihrem unauflösbaren Wirkungszusammenhang an vielen Orten in Köln vor Augen und Ohren geführt. Ein ähnlich umfangreiches Festival, allerdings vorwiegend auf zeitgenössische Kunst konzentriert, fand im Jahr 2000 in Liverpool statt. Das jüngste große Festival war unter dem Titel „Eight Days A Week, die zweite“  im Oktober 2012 in Köln zu erleben.

Neben dem Festival-Konzept – einer Verdichtung wechselseitiger thematischer Bezüge durch die Bündelung vieler Kulturereignisse innerhalb eines kurzen Zeitraums – rücken kontinuierlich einzelne Veranstaltungen aktuelle und historische Aspekte zu beiden Städte in den Fokus der Wahrnehmung. Liverpool und Köln erscheinen darin nicht nur als zwei besondere Städte in der europäischen Geschichte, sie erweisen sich zugleich als beispielhaft für die Möglichkeiten der europäischen Entwicklung überhaupt. Kunst muss direkt aus dem Lebenszusammenhang von Menschen hervorgehen und wieder in diesen hineingehen, so lautet das Credo von „Eight Days A Week“. Daher sind bei den unterschiedlichen Aktivitäten, die aus der Zusammenarbeit von Kölner und Liverpooler Künstlern entstanden, von Anfang an speziell in Köln ganz unterschiedliche Kultur- und Sozialeinrichtungen überall im Stadtgebiet einbezogen worden. Das Gefälle von Innenstadt und Vorstadt soll bewusst aufgehoben werden.

Die drei Veranstaltungen, die in diesem Jahr im Oktober 2014 unter dem Motto „VON DORT UND HIER“ den Liverpool-Kölner Dialog fortführen, sind aus diesem Grund an Kultur- und Sozialorten in den eher unscheinbaren Stadtteilen Buchforst und Zollstock angesiedelt. Genau dort, in den ehemaligen Arbeiterstadtteilen, soll gezeigt werden, wie sehr die konkrete Lebensumgebung und Tradition miteinander verknüpft sind und die existentiellen Erfahrungen von Menschen prägen.

In der Auferstehungskirche in Buchforst lassen mehr als ein Dutzend Künstler aus Liverpool und Köln in einer dreitägigen Malaktion mit den Ausdrucksformen ihrer individuellen künstlerischen Ansätze ein 30 Meter langes Gemälde entstehen, das Schnittpunkte von Kulturerfahrung und Individualentfaltung in den Blick bringt. Ein Programm aus Kunstperformances, Konzerten, Gesprächsrunden und Literatur-Lesungen begleitet die Malerei-Aktion.

In der neuen Galerie Kunstmeile Buchforst thematisiert eine Ausstellung Aspekte der Wahrnehmung von Stadtumgebungen anhand von Fotografien aus dem Liverpool der späten 1960er-Jahre und der Gegenwart sowie durch Foto-Ansichten des heutigen Buchforst. Fotografie wird erfahrbar als Medium der nüchtern-genauen Alltagswahrnehmung und der poetischen Träumerei, gleichermaßen inspiriert vom Zauber der Erinnerung und der Verwandlung.

Die Ausstellung „Dämonen“ lenkt mit einer Verbindung der Fotocollagen von John Heartfield und der Malerei von Hieronymus Bosch in der Galerie Display in Zollstock schließlich die Aufmerksamkeit auf elementare Strukturen der Macht. Die dämonischen Porträts von bekannten und unbekannten Männern, die mit ihrer Finanz- und Entscheidungsmacht den Lauf des Weltgeschehens maßgeblich bestimmen, zeigen, dass das Teuflische und Böse in unserer demokratisch-modernen westlichen Kultur keineswegs verschwunden ist.

Das Motto „VON DORT UND HIER“ will zwei Dinge zum Ausdruck bringen. Es gibt auch in Zeiten der Globalisierung und ökonomischen Gleichmachung und digitaler medialer Allgegenwärtigkeit überall in Europa noch immer große Unterschiede, welche die verschiedenen Länder, unterschiedlichen Orte und kulturellen Traditionen kennzeichnen. Es gibt aber auch einen in den vergangenen Jahrzehnten immens gewachsenen Austausch zwischen diesen unterschiedlichen Ländern, Orten und Traditionszusammenhängen. Die Formulierung „VON DORT UND HIER“ beschreibt einen regen Reiseverkehr, künstlerisch-kulturellen Austausch und kommunikativen Vermittlungsprozess zwischen den Städten Liverpool und Köln. Einerseits als Ausdruck ganz persönlicher, individueller Erfahrungsprozesse, andererseits als eine Tendenz kultureller Offenheit und Neugier, die auch in Zeiten britischer Europaskepsis oder sogar -ablehnung nicht mehr aufzuhalten ist. So soll das Motto zum Ausdruck bringen, dass es immer etwas gibt, das „Dort“ passiert und auch „Hier“ interessant ist – und umgekehrt. Und dass es vieles gibt, das „von dort nach hier“ zu bringen Sinn macht: all-tägliche Erfahrungen, neue Ideen oder alte Ideale oder Kritik an den herrschenden Entwicklungen „dort und hier“.

Die Initiative „Eight Days A Week“ will mit ihren Veranstaltungen weniger Beiträge zum kulturellen Unterhaltungsprogramm und Kunstkonsum liefern als die Lust an der aktiven Teilhabe am kulturellen Prozess beflügeln – durch engagierte Gespräche, kreative Gestaltungen und organisatorische Beiträge. „Eight Days A Week“ versteht sich daher als offenes Kulturprojekt, das mit der Eigeninitiative und Solidarität seiner Teilnehmer steht und fällt. Die Idee der demokratischen Teilhabe aller am gesellschaftlich-kulturellen Prozess fällt zusammen mit der Einsicht, dass es ein gemeinsames Europa nur gibt, wenn die Menschen aus verschiedenen europäischen Städten, Ländern und Kulturtraditionen die Sache selbst in die Hand nehmen und so diese Gemeinsamkeit schaffen.

Programm-Übersicht „VON DORT UND HIER“