03.03. – 01.07.2018 HIER UND JETZT im Museum Ludwig: Günter Peter Straschek. Emigration – Film – Politik

Foto c Michael BironGedreht, beschlagnahmt, verschollen: Günter Peter Strascheks Kurzfilm Ein Western für den SDS ist ein Schlüsselwerk der 1968er-Revolte, das niemand gesehen hat und das eben deshalb zur Legende wurde. Jetzt feiert der Western im Museum Ludwig Premiere. Er wurde während der Vorbereitung der Ausstellung Günter Peter Straschek: Emigration – Film – Politik gefunden. Im Zentrum dieser ersten Ausstellung zu Strascheks filmischem Schaffen steht sein Hauptwerk Filmemigration aus Nazideutschland: Die fünfstündige WDR-Fernsehserie lässt 50 Flüchtlinge aus der Filmbranche zu Wort kommen, die von den Nazis ins Exil getrieben wurden. Sie wurde 1975 produziert und schlummerte über vier Jahrzehnte im Archiv des WDR.

Der Österreicher Günter Peter Straschek (1942–2009) gehörte wie Hartmut Bitomsky, Harun Farocki und Helke Sander dem ersten Jahrgang der Deutschen Film- und Fernsehakademie (DFFB) an, der 1966 seine Ausbildung in Westberlin aufnahm. Die Filmstudent*innen brachten sich in die Neue Linke ein, sie dokumentierten soziales Elend, zeichneten Demonstrationen auf, unterstützten Kampagnen. Strascheks erster Film Hurra für Frau E. (1966) ist das nüchterne Porträt einer Mutter, die mit Prostitution die staatliche Fürsorge aufbessert. Sein Western für den SDS (1967/68) schildert die Entwicklung der Linken als Lernprozess von Frauen, die in der Bewegung ihr Bewusstsein schärfen, aber weiterhin nichts zu sagen haben. Die Querelen um den Film zeigt die DFFB-„Wochenschau“ Requiem für eine Firma (1969): Der Western wird von der Direktion beschlagnahmt, 18 Studenten, die sich mit Straschek solidarisiert haben, werden von der Akademie relegiert. Die „revolutionäre Filmarbeit“, der sie sich in diesen Monaten widmen (Straschek und Meins drehen mit Frankfurter Schüler*innen), kommt bald zum Erliegen. Strascheks Zum Begriff des „kritischen Kommunismus“ bei Antonio Labriola (1970) weist auf die Kluft zwischen Arbeitern und Intellektuellen hin und schildert so bissig wie witzig die „Schwierigkeiten der Revolution“ (Labriola).

In den frühen 1970er Jahren wendet sich Straschek der Filmgeschichte zu. Während der Arbeit an seinem Handbuch wider das Kino (1975) stößt er auf das Thema, das ihn bis zu seinem Tod beschäftigen wird: das Exil von Filmschaffenden aus dem nationalsozialistischen Deutschland. Über 2.000 Filmleute mussten vor den Nazis fliehen, von Prominenten wie Billy Wilder oder Lotte H. Eisner bis zu unzähligen heute vergessenen Schauspieler*innen, Cutter*innen und Autor*innen. Straschek ist meist der erste und oft der einzige, der sich für ihren Lebensweg interessiert. In der WDR-Fernsehserie kommen 50 von ihnen zu Wort. Die Einstellungen sind meist unbewegt und außergewöhnlich streng komponiert. Strascheks Blick ist so präzise wie einfühlsam: ein beharrlicher Blick, der die verleugnete Vergangenheit auf die Tagesordnung setzt.
Geschult hat er diesen Blick auch im Kino, etwa am kompromisslosen Werk der Filmemacher Jean-Marie Straub und Danièle Huillet, mit denen er seit Mitte der 1960er Jahre befreundet ist. In der Ausstellung ist Straubs und Huillets Einleitung zu Arnold Schoenbergs Begleitmusik zu einer Lichtspielscene (1972) zu sehen. Straschek liest darin Briefe aus den 1920er Jahren, in denen Schoenberg antisemitische Bemerkungen Wassily Kandinskys scharf zurückweist.

Die Ausstellung wurde vom Berliner Künstler Eran Schaerf gestaltet.

Günter Peter Straschek. Emigration – Film – Politik ist die vierte Ausstellung innerhalb der Projektreihe HIER UND JETZT im Museum Ludwig. Hierbei handelt es sich um ein experimentelles Format, bei dem die Ausstellungspraxis neu verhandelt wird und sich öffnet für Positionen, die nicht zwingend aus der bildenden Kunst kommen müssen.

Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem WDR Köln. Sie wird gefördert von der Kulturstiftung des Bundes. Außerdem wird sie unterstützt von der Fördergruppe HIER UND JETZT aus dem Kreis der Mitglieder der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig e. V. sowie der Stiftung Storch.

Kuratorin: Julia Friedrich

Eröffnung: Freitag, 02.03.2018, 19 Uhr
Ausstellungsdauer: 03.03. – 01.07.2018

Katalog
In der Reihe HIER UND JETZT / Verlag der Buchhandlung Walther König erscheint ein Katalog in deutscher und englischer Sprache. Die erste Publikation über Günter Peter Straschek enthält Beiträge von Johannes Beringer, Werner Dütsch, Yilmaz Dziewior, Julia Friedrich, Elfriede Jelinek, Imme Klages, Volker Pantenburg, Karin Rausch, Stefan Ripplinger, Eran Schaerf und einen Briefwechsel von Straub-Huillet-Straschek. 336 Seiten, 219 Abbildungen. Verkaufspreis: 29,80 Euro

Web und Social Media
Zur Ausstellung kommuniziert das Museum Ludwig auf seinen Social-Media-Kanälen mit den Hashtags #HIERUNDJETZT und #straschek
Facebook/Instagram/Twitter/Vimeo: @MuseumLudwig – www.museum-ludwig.de

Museum Ludwig
Heinrich-Böll-Platz
50667 Köln

www.museum-ludwig.de

Foto: Günter Peter Straschek (Mitte), Carlos Bustamante (links) und Johannes Beringer (rechts) am Set von Labriola, 1970 ©Michael Biron

 

Diesen Beitrag teilen, das Unterstützt uns, DANKE !

FacebookVZJappyDeliciousMister WongXingTwitterLinkedInPinterestDiggGoogle Plus

weitere Beiträge

Nachrichten und Doku

Gasnetze: Bürger:innen brauchen


umweltMünchen, 18. April 2024. Der Umstieg auf klimaneutrale Energien führt dazu, dass ein Großteil der Gasverteilnetze künftig nicht mehr benötigt wird. Mit einem „Green Paper“ hat das Bundeswirtschaftsministerium die Diskussion um die Stilllegung komm...


weiterlesen...

Kölle Pally: Aftershow-Party mit dem


KöllePally AftershowpartyTicket fürs Gloria gibt’s für 15 Euro 

Köln, 4. April 2024 – Premiere für Köllepally: Am Samstag (6. April 2024) werden acht Prominente ihre Darts-Fähigkeiten im Gloria unter Beweis stellen. Ihnen zur Seite werden acht Dart-Fans stehen, die sich b...


weiterlesen...

Demokratie und Partizipation


777811 teaser publikation 800Neue Ausgabe des bpb:magazins der Bundeszentrale für politische Bildung // Interview mit Protestforscher Dieter Rucht // Fünf Praxisbeispiele von Politischen Bildnern und Einblicke in den Wahl-O-Mat zur Europawahl // Jetzt kostenlos bestellen unte...


weiterlesen...

Weltkriegsbombe am Rheinufer in


stadt Koeln LogoZehn-Zentner-Bombe muss noch heute entschärft werden

Bei Baggerarbeiten im Rhein ist am heutigen Mittwochvormittag, 3. April 2024, im Bereich des Kennedy-Ufers in Köln-Deutz, ein Bombenblindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden worden. Es hand...


weiterlesen...

17.05.2024 Frau Wu und Andere Im Fort


IMG 20240311 WA0000Am 17. Mai wird in einem Kölner Fort, dem Fort Paul der Südstadt, gelegen im Volksgarten, eine Gruppenausstellung zu sehen sein, deren besonderes Juwel eine chinesische Künstlerin ist, die vorwiegend mit Wasser arbeitet. Gemeint ist Jiaying Wu, au...


weiterlesen...

Stadt Köln startet Umwelt-Pilotprojekt


stadt Koeln LogoInnovativer Stickoxid-Filter für saubere Luft in der Kölner Innenstadt geht in Betrieb

Die Stadt Köln, die Stiftung "Lebendige Stadt" und das Unternehmen Schüco haben heute ein gemeinsames Pilotprojekt zur Reinigung stickoxidbelasteter Luft in der...


weiterlesen...
@2022 lebeART / MC-proMedia
toTop

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.