Der Geruch von Zuneigung

HelenaKatsiavara,,Schmatz,,! das Geräusch brachte mir als 8-jähres Mädchen einen Wasserfall von purzelbaumartigen gemischten Gedanken, die sich am Ende in einem Einzigen vereinten. Den der Flucht.

Denn nach diesem geräuschvollen Kuss meiner Oma, oder einer der zufällig vorbeikommenden Nachbarinnen folgten meistens ein Kneifen meiner Wangen, ein Ausfragen - je nach dem, aber das schlimmste war immer der Geruch der Spucke, die sich vom küssenden Mund löste und  auf meine Wangen klebte wie das Pech als eine Schwarze klebrige Substanz, bei der faulen Tochter im Märchen von Frau Holle.

Wie bekannt trug die faule, undankbare Tochter das Pech ein ganzes Leben lang auf sich, denn das war ja die Verdammnis, wegen ihrer Faulheit, List, Undankbarkeit und anderen Schattenseiten, die ein Mensch dieser Art in sich trägt.

Aber warum Bitte schön musste ich so etwas auf meinen Wangen ertragen. Der Geruch der Spucke war, glaube ich, schlimmer als das Pech, denn er war immer-immer  zu riechen. Auch zu riechen waren andere Geruchsspuren, die sich von den kneifenden  Händen auf meinen Wangen übertrugen.

Diese Hände standen nämlich den ganzen Tag nicht still, es waren Hände, die viele Kinder großzogen, sich mit der Erde vereinten, im Stall sich mit mindestens 10 Tierarten abgaben und abends noch am Webstuhl von links nach rechts tanzten. Ab und zu wurden sie auch gewaschen.

Als Kind war diese Bauernhofswelt  meiner Verwandten in Griechenland eine unglaublich bunte Welt, die mich oft auch unendlich zum Staunen brachte.

Ich reiste damals mit meinen Eltern, wie üblich für Gastarbeiterfamilien in Deutschland, einmal im Jahr oder einmal in zwei Jahren ins gelobte Land.

Zuneigung und Liebe wurden dort anders verteilt. Auch die Angst um das Böse war oft präsent, das galt es  nämlich auch zu vertreiben, mit guten schmeichelnden Worten  und auch wieder mit… Spucke! Wenn man nämlich ahnte, dass nur im geringsten die Gefahr eines bösen Blickes lauerte, bespuckte man den Schützling 3 mal.

Das sollte reichen, um den Spuk zu vertreiben. Apropos Spuk, kommt das Wort von Spucke? Wenn ich darüber besser nachdenke, jetzt wo ich längst keine  8 Jahre alt mehr bin und mein Blick auf dieser Welt anders geartet ist, hatte es sicherlich immer mit guter Absicht zu tun. Die  Spucke als solche ist in ihrer Substanz desinfizierend. Unbewusst desinfiziert man also spuckend den zu Schützenden von einer eventuell anhaftenden negativen Energie wie die eines bösen Blickes.

Wie dem auch sei, inzwischen weiß ich es. Diese Gesten waren eine Art der Liebe, der Zuneigung , der gegenseitigen Achtung. Sie ließen die Menschen über Jahrhunderte zusammengehören. Also gaben sie mir die Gewissheit das ich Wurzeln hatte. Diese waren zwar oft in der Luft, aber was soll's.

Auch die Luft ist eins der 4 wichtigen Elementen dieser Erde.


Helena Katsiavara